Kann der private Verbrauch die Wirtschaft weiterhin stützen?

by Bernhard Simon

GFKLaut GfK-Prognose werden die Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2016 real um 2 Prozent steigen.

Für die gesamte Europäische Union erwartet GfK einen Anstieg zwischen 1,5 und 2 Prozent. Dies gab Matthias Hartmann, GfK-Vorstandsvorsitzender, gestern auf einer Pressekonferenz in Nürnberg bekannt.

In Deutschland wird der private Konsum demnach etwas stärker wachsen als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Auch der Einzelhandel wird von den steigenden Konsumausgaben profitieren.

Für den Non-Food-Bereich prognostiziert GfK ein Plus von 1,7 Prozent. Für den Lebensmitteleinzelhandel inklusive der Drogeriemärkte erwartet Dr. Wolfgang Adlwarth, GfK-Handelsexperte, einen Anstieg von 1,5 Prozent. Im Trend liegen derzeit auch Ausgaben für Renovierungen, Urlaub und Wellnessangebote sowie für Küchen.

Wie schon im vergangenen Jahr geht GfK davon aus, dass der private Konsum auch 2016 eine wesentliche Stütze für die Konjunktur sein wird – und zwar sowohl in Deutschland als auch in Europa. Gründe dafür sind die allgemein steigende Wirtschaftskraft und der damit zu erwartende Personalaufbau in vielen Unternehmen. Die Arbeitslosigkeit wird somit weiter sinken. Auch die Energiepreise, vor allem Benzin und Rohöl, werden niedrig bleiben. Sie halten die Inflation gering, und den Verbrauchern verbleibt mehr Geld im Portemonnaie.

„Für Deutschland rechnen wir damit, dass der private Verbrauch real um 2 Prozent steigen wird. Der private Konsum wird also auch in diesem Jahr wieder einen starken Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten und etwas stärker als das BIP wachsen“, erklärte Matthias Hartmann, GfK-Vorstandsvorsitzender, heute auf einer Pressekonferenz. „Für die Europäische Union prognostizieren wir einen realen Anstieg des privaten Konsums um 1,5 bis 2 Prozent“, so Hartmann weiter.


Gründe für zurückhaltende Prognose
Die GfK-Prognose für Deutschland ist in diesem Jahr zurückhaltend gestellt. Dafür gibt es folgende Gründe:

1. Eine Lösung der Flüchtlingskrise ist derzeit nicht in Sicht. Eine mögliche Abschottung einzelner Länder, ein Scheitern des Schengener Abkommens und damit wieder geschlossene Grenzen hätte deutliche Auswirkungen auf die Exportnation Deutschland.

2. Die Terrorgefahr in Europa, aber auch in Deutschland: Sollten sich weitere Anschläge ereignen, könnte dies die Verbraucher verunsichern und sich deutlich negativ auf ihren Konsum auswirken.

3. Bisher stützen die abstürzenden Energiepreise die Wirtschaft noch. Mittel- und langfristig können sie jedoch dazu führen, dass die betroffenen Branchen ihre Investitionen verringern müssen. Dies könnte sich durch Entlassungen negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken und auch bei deutlich mehr als den betroffenen Arbeitnehmern die Furcht vor Arbeitslosigkeit erhöhen. In diesem Fall werden wieder mehr Menschen das ihnen zur Verfügung stehende Geld für möglicherweise schlechtere Zeiten trotz extrem niedriger Zinsen sparen und nicht für den Konsum verwenden.

4. Die anhaltende wirtschaftliche Schwächephase in den aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien, Russland und vor allem China. Dadurch können die Exportaussichten der deutschen Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt werden.

Europa: Konjunkturmotor brummt – Wirtschaftsleistung soll 2016 um 2 Prozent steigen
Die Konjunkturerwartung hat sich in Europa im Laufe des vergangenen Jahres unterschiedlich entwickelt. Vor allem in Nord- und Osteuropa ist der Wert des Indikators gesunken. In den ehemaligen Krisenländern Portugal, Spanien, Italien und auch Frankreich ist er hingegen deutlich gestiegen.
Im Gegensatz zur Stimmung der Verbraucher zeigt sich bei der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung ein einheitlich positives Bild. Die europäische Wirtschaft ist laut einer Schätzung der Europäischen Kommission vom November im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 1,9 Prozent gewachsen. Vor allem die osteuropäischen Länder wie Polen, die Slowakei und Rumänien verzeichnen eine sehr dynamische Entwicklung. Spitzenreiter war ganz eindeutig Irland mit einem BIP-Wachstum von 6 Prozent, gefolgt von der Tschechischen Republik mit 4,3 Prozent. Spanien hat sich mit einem Plus von über 3 Prozent sehr gut entwickelt. Auch in diesem Jahr wird die Wirtschaft europaweit deutlich wachsen. Die Europäische Kommission rechnet mit einem Anstieg von insgesamt 2 Prozent.

Europa: Arbeitslosigkeit um 8 Prozent gesunken
Die Arbeitslosigkeit in Europa ist insgesamt deutlich zurückgegangen, um 8 Prozent. Diese positive Entwicklung zeigt sich auch in fast allen Ländern der Union. Spitzenreiter sind auch hier die osteuropäischen Länder sowie Irland, Italien und Spanien. Lediglich in Rumänien, Österreich, Finnland und Norwegen ist die Arbeitslosigkeit gestiegen.

Europa: Anschaffungsneigung trotz allgemein sinkender Arbeitslosigkeit sehr unterschiedlich
Die gesunkene Arbeitslosigkeit wirkt sich jedoch nur teilweise auf die Anschaffungsneigung der europäischen Verbraucher aus. Vor allem in Osteuropa sowie in Litauen, Lettland und Griechenland ist dieser Indikator im Verlauf des letzten Jahres gesunken. Einen Anstieg verzeichnen vor allem die skandinavischen und westeuropäischen Länder. Besonders deutlich ging die Anschaffungsneigung in Italien und der Tschechischen Republik nach oben. Betrachtet man die absoluten Indikatorwerte am Ende des Jahres 2015, sind die Sorgenkinder Europas nach wie vor Portugal und Griechenland. Indikatorwerte von unter -30 Punkten zeigen, dass die Verbraucher sogar die täglich absolut notwendigen Ausgaben nur schwer leisten können. Auch in Spanien und Frankreich bleibt es schwierig. Zwar wächst die Wirtschaft dort wieder und die Verbraucher rechnen mit steigenden Löhnen. Damit die Anschaffungsneigung aber deutlich in den positiven Bereich steigt, müssen die Menschen erst einmal über Monate hinweg ihren Lebensunterhalt problemlos bestreiten können.

Europa: privater Konsum um 2,1 Prozent gestiegen
Dennoch ist der private Konsum in allen Ländern der Europäischen Union – außer Griechenland – insgesamt um real 2,1 Prozent gestiegen. Die stärksten Zuwächse beim Konsum gab es in Osteuropa und hier besonders in Rumänien. Trotz der schwachen Anschaffungsneigung hat sich der Konsum in den ehemaligen Krisenländern Portugal und vor allem Spanien überaus dynamisch entwickelt. Neben der positiven wirtschaftlichen Entwicklung trugen in Spanien vor allem die vielen Touristen zu diesem starken Anstieg bei.

Deutschland: Einzelhandel profitiert von den guten Rahmenbedingungen
In Deutschland wird der Einzelhandel in diesem Jahr von der guten Konsumlaune profitieren. Der Lebensmitteleinzelhandel wird voraussichtlich um 1,5 Prozent auf 173,2 Milliarden Euro wachsen. Die weiterhin steigende Qualitätsorientierung der Verbraucher wird den Trend zur wertigeren Nachfrage stützen. Zudem wird sich auch das aus der Migration ergebende Bevölkerungswachstum in einer mengenmäßig steigenden Nachfrage niederschlagen.
Im Non-Food-Handel sieht es sogar noch etwas besser aus. Er wird voraussichtlich um 1,7 Prozent auf 170,5 Milliarden Euro zulegen.

Sicherlich werden auch im Jahr 2016 Ausgaben für hochwertige Güter wie beispielsweise Möbel im Vordergrund stehen.„Im vergangenen Jahr haben die Verbraucher vor allem ihre Ausgaben für den langfristigen Bedarf sowie für den Erlebniskonsum erhöht“, erläuterte Dr. Wolfgang Adlwarth, Handels-Experte von GfK. So stiegen die Ausgaben für Renovierungen beispielsweise um 9 Prozent. Für Urlaubs- und Privatreisen gaben die Deutschen 10 Prozent mehr aus als noch im Jahr zuvor. Insgesamt 6 Prozent mehr wurden für neue Autos ausgegeben.

Deutschland: Absatz günstiger Küchen profitiert von Flüchtlingszustrom
Auch die Möbelindustrie, und hier vor allem Kücheneinrichtungen, profitierte 2015 von der hohen Konsumlust der Verbraucher. Küchen, die mehr als 20.000 Euro kosten, wurden knapp ein Drittel (+32,5 Prozent) häufiger verkauft als im Jahr zuvor. Im Preisesegment zwischen 10.000 und 20.000 Euro stieg die Menge um knapp ein Viertel (+23,8 Prozent) an. Dafür kauften die Deutschen Küchen im Preissegment zwischen 3.000 und 8.000 Euro seltener ein. Durch den großen Zustrom von Flüchtlingen erfuhr aber das Billigsegment einen deutlichen Zuwachs. Küchen bis 2.000 Euro wurden um 5 Prozent häufiger nachgefragt, Küchen zwischen 2.000 und 3.000 Euro sogar um knapp 8 Prozent.

Deutsche stemmen sich gegen Risiken von außen
Die meisten Indikatoren erreichten im Sommer des vergangenen Jahres einen zwischenzeitlichen Höchststand und sanken danach deutlich ab. Bei der Konjunkturerwartung war diese Entwicklung besonders stark ausgeprägt: Im Mai 2015 erreichte sie mit 38,3 Punkten ihren Jahreshöchstwert. Im zweiten Halbjahr zeigte sich eine deutliche Abkühlung bei der Verbraucherstimmung. Der Indikator fiel auf -5,3 Punkte im November. Seither hat er sich wieder stabilisiert und stand im Januar bei 4,2 Punkten.

Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich bei der Einkommenserwartung. Sie fiel im zweiten Halbjahr von 58,6 Punkten im Juli auf 44,4 Punkte im November. Im Januar stand der Indikator bei 47,2 Punkten. Das Niveau ist trotz der Schwankungen jedoch sehr hoch. Die kontinuierlich steigenden Beschäftigungszahlen in Deutschland und die damit einhergehenden deutlichen Einkommenszuwächse lassen die Verbraucher auch für die nächsten Monate mit steigenden Löhnen und Gehältern rechnen. Die Wirtschaftsverbände rechnen für dieses Jahr mit einem Einkommenszuwachs von rund 3 Prozent. Aufgrund der nach wie vor sehr niedrigen Inflation bleibt den Verbrauchern auch ein deutliches Plus im Portemonnaie.

Die Anschaffungsneigung der deutschen Verbraucher bleibt derzeit ungebrochen. Zwar verzeichnete der Indikator im Verlauf des letzten Jahres ebenfalls ein leichtes Auf und Ab. Mit aktuell 52,7 Punkten ist das Niveau jedoch außerordentlich hoch. Die Rahmenbedingungen sind ideal für eine gute Konsumstimmung: Die Verbraucher haben finanzielle Planungssicherheit durch die stabile Beschäftigungslage. Zudem ermöglichen die eingebrochenen Benzin- und Heizölpreise den Konsumenten mehr finanziellen Spielraum für andere Ausgaben. Da die Sparneigung weiterhin im Keller verharrt und aufgrund der aktuellen Politik der EZB auch nicht steigen wird, ist es derzeit deutlich attraktiver, übrigbleibendes Geld für werthaltige Güter und Dienstleistungen auszugeben, als es zu sparen.

Der Höhenflug der Verbraucherstimmung im ersten Halbjahr 2015 erhielt ab den Sommermonaten einen deutlichen Dämpfer. Nahezu alle Indikatoren des Konsumklimas sanken in der Folge – zum Teil sehr deutlich. Die Gründe dafür lagen in der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise, der gestiegenen Terrorgefahr sowie der wirtschaftlichen Schwäche in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Russland, Brasilien und vor allem China. Aktuell hat sich die Stimmung der Verbraucher jedoch wieder stabilisiert. Die sehr guten innerdeutschen Rahmenbedingungen überlagern die potentiellen Gefahren von außen. Sollte jedoch die Verunsicherung der Verbraucher wieder steigen, würde dies sicherlich auch das Konsumklima beeinträchtigen.

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