Ein Jubiläumsjahr neigt sich langsam dem Ende: 2024 konnte der BHB nicht nur sein 50jähriges Bestehen feiern, auch die wohl wichtigste Branchenveranstaltung jährt sich bereits zum 25. Mal. Dazu haben sich derzeit rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Bonner Bundestag (WCCB) versammelt. Das „Branchen-Lagerfeuer“ soll auch diesmal wieder einen Blick auf Trends und aktuelle Entwicklungen geben – aber wie immer auch den intensiven Austausch der Teilnehmer in der ‚Branchenfamilie‘ ermöglichen.
Dieser ist besonders in einem Jahr wichtig, dass erneut nicht die erhofften Positiv-Effekte beinhaltete, berichteten der scheidenden BHB-Vorstandssprecher Franz-Peter Tepaß und BHB-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Wüst in ihrer Begrüßung. Ein unguter Mix aus Schlechtwetter-Perioden, Kostenbelastung der Bürger und der volatilen Weltlage hat den Konsum ausgebremst und eine Erholung der Umsätze verhindert.
Kein Grund, um in den Bemühungen um Besserung nachzulassen, fanden beide: Nach dem Ampel-Chaos dürfe man Hoffnung auf eine Beruhigung der politischen Lage haben und die Branche sei mit guten und innovativen Produkten sowie mit guter Beratungsqualität nach wie vor gut positioniert.
Natürlich gibt es immer wieder limitierende Faktoren, die es anzugehen und zu beherrschen gilt. Mit zu den größten Ärgernissen für Handel wie Industrie gehört der in Brüssel und Berlin ausgelöste Regelungs-Tsunami, dem auch die Branche in immer stärkerem Maße ausgesetzt ist. Ein Kampf gegen Windmühlen? Darüber diskutierte Dr. Peter Wüst mit Dr. Eva Stüber,Mitglied der der GF des IFH und Christian Kramer, Branchenmanager Groß- und Außenhandel beim Verband der Vereine Creditreform e.V..
Das Thema treibt und belastet die komplette Branche – und auch wenn die sich ständig verändernde Lieferketten und die Bedrohung durch chinesische Online-Händler sicherlich regulierende Eingriffe erfordern, ist die Überforderung gerade bei KMU deutlich und die fortscheitende Überkomplexität macht die Bewältigung nicht einfacher. Hier wird es sehr auf einheitliche und zu bewältigende Strukturen ankommen, die bestenfalls europaweit gut organisiert werden.
Dass große Online-Player längst bei den Kern-Produkten der DIY-Branche mithandeln, ist bekannte Tatsache. Auch hier lohnt ein Blick, wie andere Branchen mit der ungleichen Konkurrenz umgehen. Darüber berichtete Michael Busch, Geschäftsführender Gesellschafter der Herder Thalia Holding. Als Buchhändler insbesondere der bequemen Online-Konkurrenz ausgesetzt, hat sich der größte deutsche Buchhändler selbst in Krisenzeiten erstaunlich entwickelt. Busch berichtete von erstaunlichen Effekten aus der Corina-Phase – es ist Thalia gelungen, die Kunden in einem geschlossenen Öko-System zu halten, bei dem man konsequent in die Kanäle stationäre Buchhandlungen, Online-Handel und digitaler Vertrieb investiert hat.
„Wenn der Kunden versteht, das er zwar bequem die Kanäle wechseln kann, aber vorteilhaft in einem Ökosystem bleibt und er dort die besten Synergien erzielt, kann man auch globale Marktführer schlagen“.
Ein weiteres Thema ‚in aller Munde‘ ist die zunehmende Bedeutung von Retail Media: Der intelligenten Vermischung und Positionierung von (Online)Marketing wird eine entscheidende Rolle im strategischen Mix der Werbemittel zugeschreiben. Von Ihrem Best Case berichtete Patricia Grundmann, Geschäftsführerin der OBI First Media Group. Mit der am stärksten wachsenden Mediengattung könne man in einem natürlichen Umfeld des Kunden relevante Botschaften vermitteln. Ein ‚Triple Win‘ – der Kunden bekommt sein passendes Produkt, dies von seiner bevorzugten Marke – mit einem ziemliche gesicherten Umsatz-Uplift für den Handel.
Ein Bereich, welcher Handel und Industrie in den letzten Jahren verstärkte Bauchschmerzen bereitet hat, ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – ein Dschungel aus Organisationsaufwänden und Berichtspflichten. Dass sich Handel/Industrie und das Bundesamt als Kontrollorgan dabei ab und zu verhaken, aber keinesfalls feindlich gegenüberstehen müssen, davon berichtete Tobias Krause, Referatsleiter beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Gewinner des sich immer weiter entwickelnden Prozesses sollten die Menschenrechte entlang der Lieferkette sein, auf die man gemeinsam positiv einwirken könne. So arbeite man in LkSG-Beiräten eng miteinander, und auf die Entlastung von KMU lege die Behörde besonderen Wert.
Jetzt in Mehrweg investieren
Trotz aller wirtschaftlichen Widrigkeiten – das große Trendthema Nachhaltigkeit will die Branche auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Eines der ambitioniertesten Vorhaben ist dabei sicher das European-Plant-Tray-Projekt, das einen europaweiten Standard für Mehrweg-Pflanzenverpackungen setzt und bei dem aktuell bereits über 30 große Handelsunternehmen teilnehmen. Darüber berichteten Dr. Jens Oldenburg, Geschäftsführer der Stiftung Initiative Mehrweg und Jutta Lehmann, Konzerneinkaufsleitung Garten bei Hornbach. Beeindruckend die Zahlen:
Ein großer Anteil der Kunststoffabfälle aus bisher rd. 150.000 Mio. Einwegtrays (!) können bei der Verwendung der Mehrwegtrays eingespart werden – geschätzte 200.000 Tonnen Co-Äqivalent. Oldenburg riet den Anwesenden dazu, sich frühzeitig um die Anpassung der Prozesse zu kümmern – die europäische Gesetzgebung ist bereits konkret auf dem Weg, die bisherigen Einweglösungen bis zum Jahr 2030 zu unterbinden.
Einer der Fixpunkte bei den BHB-Kongressen ist immer die Analyse vom Zahlenexperten der Branche, Klaus Peter Teipel. Große Überraschungen waren in seinem Vortrag natürlich nicht zu erwarten – zu schwierig war 2024 das gesamte Marktumfeld. Die Baumärkte können sich laut seiner Hochrechnung nicht von der schwierigen Gesamtsituation abkoppeln – Teipel prognostiziert hier für das Gesamtjahr ein Minus von -1,9%, was noch besser ist als andere Vertriebssformate, aber natürlich nicht zufriedenstellen kann.
Bei den Warengruppen haben daran den Löwenanteil Baustoffe (-6,7%), Heimwerkerbedarf (-1,4%) und Garten, der mit +1,3% als einziger Bereich positiv ist. Für 2025 lautet seine Prognose auf ein nominales Plus von 1,0%, das die Inflation in der Realität wieder kassiert.
Teipel hatte einige Trends ausgemacht, die ihren Einfluss auf die Geschäftsentwicklung der Branche haben: So steigt der Anteil der wohlhabenden Haushalte bei den Baumarktkunden von 36 auf 54%. Untere Lohngruppen wandern derzeit eher zu den Discountern ab – also sei weiter Vorsicht bei der Preisgestaltung geboten. Auch ist die Branche durch wechselnde Gewichtung der Kundeninteressen betroffen: Stark steigend sind im Augenblick eher die Bereiche Events/Freizeit und Gesundheit/Wellness.
Wenn zwei Baumarktketten fusionieren, schaut die gesamte Branchenwelt natürlich besonders genau hin – gerade wenn es in einem relativ kleinen Marktumfeld wie der Schweiz stattfindet. Wie sich Coop und Jumbo erfolgreich verschmolzen haben, wie sich das auf das Marktgeschehen in der Schweiz auswirkt und warum Erlebnis und Service immer mehr zum Erfolgsfaktor im stationären Geschäft werden, darüber berichtete Coop+Jumbo-Geschäftsführer Andreas Siegmann dem Plenum. Seine Strategie: Gezielte Ausrichtung auf Geschäftsfelder mit ‚Schweiz-Potenzial‘, die auf dieses sehr besondere Land zugeschnitten sind. Dazu gehören unter anderen hochqualitative Label im Bereich Nachhaltigkeit.
Temu, Insolvenzen und die Angst der Jungen
Schon im Vorjahr war der Ausblick von Zukunftsforscherin Theresa Schleicher eines der Highlights beim BHB-Kongress. Auch diesmal hörten die rund 500 Kongressteilnehmer gespannt zu, als Schleicher ihre Zukunftsvision aufmachte – was die Kundinnen und Kunden beschäftigen wird und welche Anforderungen sich daraus für die DIY-Branche ergeben. In rasend schnellem Tempo sprang sie von chinesischen Online-Innovationen über eine mittlerweile angstvoll wieder leistungsbereite jungen Generation hin zu den Werten, die in einer immer disruptiven Welt von den Menschen mehr und mehr vermisst werden. Und ja: KI wird unerlässlich, auch für die Baumarktbranche.
Die Entwicklungen sind natürlich in besonderem Maße von den aktuellen Geschehnissen in im direkten Markt, aber auch im näheren und weiteren Umfeld der Menschen abhängig. Deshalb fand die erweiterte Gesprächsrunde um Theresa Schleicher mit Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung, Verband der Vereine Creditreform e.V. und Nikolaus Blome, R essortleiter Politik der RTL Group, besonderen Anklang bei den Zuhörern, ebenso wie Blomes knackige Analyse des politischen Berlins vor der Wahl. Auch Hantzsch‘ nüchterne Aufbereitung des wirtschaftlichen Status des Landes bildete eine gute Grundlage für Diskussionen: Das Erfolgsmodell Deutschland scheint in Zeiten des „Angstsparens“ zumindest stark gefährdet.
Kurzfazit: Wir dürfen unzweifelhafte Qualität nicht in schlechter Stimmung ertränken, und auch ein Stück Nationalstolz stünde uns bei der Lösung der Probleme gut an. In aufgewühlten Zeiten hat er schon oft bewiesen, dass Ruhe und klare Strukturierung den Blick auf das Wesentliche zurückführen kann.
Und so konnte auch Bundestagspräsident a.D., Prof. Dr. Norbert Lammert einen perfekten Abschluss für den ersten Kongresstag setzen. Der Begriff ‚Zeitenwende‘, derzeit stark strapaziert, impliziert deutliche Veränderung durch Ereignisse. Lammerts These: All das, was heute punktuell spektakulär erscheint, sind und waren eigentlich langfristige Entwicklungen – manche beeinflussbar, andere einfach
irreversible Realität. Die vorzeitige Neuwahl eines Bundestages sei sicher noch keine schwere Demokratiegefährdung – aber unsere Demokratie müsse für unumstößlich gehaltene Gewohnheiten nun verändern. Die einzig relevanten Faktoren für die Bewältigung von Herausforderungen seien Stabilität und Innovation – und das gleichzeitig.
Der Abend des ersten Kongresstages gehört wie immer der Branchenfamilie: Im festlichen Rahmen wird auf der MS Rheinmagie, die vor der Kulisse des Bundestagesgebäudes vor Anker liegt, u.a. der DIY-Lifetime-Award verliehen.