Eine Kulturgeschichte, die ihren Anfang am Niederrhein nahm
Im Nachgang zu unserem Bericht über die Feierlichkeiten zum 100 jährigen Bestehen der Versteigerung in Straelen, hier eine kurze Replik über die Entstehung der Gartenbauregion am Niederrhein.
Der Niederrhein und insbesondere der Straelener Raum ist nicht umsonst eine der wichtigsten Gartenbauregionen Deutschlands. Dass die Region eine solche Entwicklung nahm, hat mit einem Schlüsseltag vor 100 Jahren zu tun: dem ersten Versteigerungstag der Erzeugerversteigerung Straelen am 4. Juni 1914.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts prägten Mittel- und Kleinstbetriebe das Bild der Landwirtschaft am Niederrhein. Die Ansiedlung von Industrie wie im Ruhrgebiet war aufgrund mangelnder Rohstoffe eher schwierig. Gute Boden- und Klimabedingungen waren jedoch vorhanden, und so entschied man sich, der Verarmung der Bevölkerung durch die Professionalisierung des gewerblichen Gemüsebaus entgegenzuwirken.
Im holländischen Limburg hatte man bereits den Obst- und Gemüsebau erfolgreich vorangetrieben. So lag es nahe, 1913 den Straelener Obst- und Gartenbauverein zu gründen, um es zu diesem Zeitpunkt den Holländern gleich zu tun. Unermüdlich wurde fortan für den Gartenbau geworben. Selbst im Fastnachtszug hieß es: „Fort met dat Tau (Webstuhl), et kömmt dä Gartenbau“.
4. Juni 1914 – der erste Versteigerungstag
Schon bald kamen größere Mengen Gemüse zusammen und die Vermarktung musste organisiert werden. Am 4. Juni 1914 war es dann so weit: Der Ausrufer ratterte nach holländischer Manier die Preiszahlen absteigend herunter. Rief der Händler: „Min“, erhielt er den Zuschlag.
Die erste Versteigeung am 04.06.1914 (Foto: Stadtarchiv Straelen)
Nach den ersten Erfolgen der Straelener Versteigerung entstanden weitere Einrichtungen. Der erste Schritt in die Zukunft des deutschen Gartenbaus war getan.
Die Versteigerung überstand Kriegswirren, Inflation und Währungsreform, und Anfang der 1950er Jahre eröffnete man sich mit dem Schnittblumenanbau neue Märkte.
1953 lief in Straelen erstmals eine elektronische Versteigerungsuhr für Blumen. 1990 kam in Lüllingen die Versteigerung für Topfpflanzen hinzu. Die verschiedenen Erzeugerorganisationen der Region schlossen sich in den 1990er Jahre zusammen und gründeten die NBV/UGA, die 2002 einen neuen Marktplatz mit Versteigerung und Cash & Carry Markt in Straelen-Herongen eröffnete. 2006 gab sich Deutschlands führende Erzeugergenossenschaft für Blumen, Pflanzen, Obst und Gemüse den Namen Landgard. Noch heute ist die Unternehmenskultur mit Gremienstrukturen und dem Vermarktungsauftrag für die Produkte der Mitgliedsbetriebe rein genossenschaftlich.
So sieht die moderne Versteigerung heute aus (Foto:Veiling Rhein-Maas)
Simon meint:
Der Gartenbau am Niederrhein hat sich durch den Aufbau der Versteigerungen in Straelen sehr gut entwickeln können.
Hans Tenhaeff, Theo Verweyen und Franz Josef Nahen, um hier nur einige Namen zu nennen, waren die Initiatoren, die durch Ihre vorausschauenden Entscheidungen maßgeblich an der Entwicklung dieses Unternehmens und der Region mitwirkten. Diese Leute haben sich wirklich um den Gartenbau am Niederrhein verdient gemacht.
Der Genossenschaftsgedanke prägte seinerzeit den Umgang miteinander.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, was beispielsweise Theo Verweyen in den siebziger Jahren uneigennützig organisiert hat, um Betrieben, welche damals einen Hagelschaden zu beklagen hatten, zu helfen.
Betriebshelfer und Aufräumkolonnen wurden mobilisiert, um den Schaden schnell und wirksam zu beheben. Da war nichts zu viel und die gegenseitige Hilfe eine Selbstverständlichkeit.
Dieser Zusammenhalt, die enge Verbundenheit sowie das Miteinander war die eigentliche Stärke dieser Genossenschaft.
Im Gartenbau hat sich in den letzten Jahren sehr viel verändert.
Der Markt stellt sich heute im Gegensatz zu den früheren Jahren ganz anders dar, was neue und angepasste Vorgehensweisen notwendig macht.
Von einem Nachfragemarkt hat sich die Entwicklung zu einem Markt mit Überangebot beschleunigt.
Diese Veränderungen erfordern andere Herangehensweisen, die in der heutigen Zeit die Landgard vor ganz neue Herausforderungen stellt.
Dabei sollte man jedoch die Erfolgsfaktoren vergangener Jahre, wie Zusammenhalt und das Miteinander nicht aus dem Auge verlieren.
Das waren, neben vielen anderen Dingen, die Attribute, die diese Region so stark gemacht haben.
In diesem Sinne möchte ich der Versteigerung und damit auch der Landgard zum 100 jährigen Geburtstag herzlichst gratulieren.
Ich wünsche den Führungspersönlichkeiten eine glückliche Hand, bei dem Bemühen die Gemüse- und Blumenvermarktung in eine gute Zukunft zu führen.