Verschiedene Strömungen prägen die grüne Branche

by Bernhard Simon

Erstellt von: Dr. Marianne Altmann, Andreas Löbke CO CONCEPT, im Auftrag der Messe Essen anlässlich der IPM ESSEN 2019.

Zu den Herausforderungen zählen Wetter und der Wunsch nach Regionalität

Die Konsumenten haben Lust auf „Grün“ und Garten. Nicht umsonst berichtet der Verband Garten- und Landschaftsbau von einem regelrechten Boom bei Privatgärten, aber auch öffentlichen und halböffentlichen Aufträgen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Die Auftragslage und Planungssicherheit der Betriebe wird als gut bis hervorragend eingeschätzt. Hier ein kurzer Überblick über die Tendenzen in der grünen Branche.

Pflanzen als wichtiger Faktor für das Stadtklima

Wie wichtig Bäume und Pflanzen für das Stadtklima sind, hat sich im Sommer 2018 gezeigt. Ihre Funktion und Bedeutung als Schattenspender, Feinstaubfilter und Kühlung im Mikroraum wurde vielen Verbrauchern bewusst. Insofern ist es konsequent und richtig, dass der Bund für das grüne Städtebauförderungsprogramm „Zukunft Stadtgrün“ insgesamt 50 Millionen Euro für die Begrünung der Städte und die nachhaltige Verbesserung des Stadtklimas bereitstellt. Eine Maßnahme, die angesichts der Diesel- und Feinstaubproblematik der Städte sicherlich sinnvoll ist. Die Diskussion um den Klimabaum ist aktueller denn je. Einzelhandelsgärtner berichten, dass Endverbraucher im Sommer 2018 verstärkt nach hitzetoleranten Pflanzen und Sorten gefragt haben. Sedum, Gräser und mediterrane Kräuter wurden verstärkt nachgefragt und werden 2019 wahrscheinlich ebenfalls auf Grund der diesjährigen Erfahrung entsprechend gefragt sein. Auch hitzetolerante Dipladenien wurden 2018 deutlich stärker vom Verbraucher verlangt als im Vorjahr. 

Medien und neue Konzepte befeuern das Interesse der Verbraucher

Groß- und Einzelhändler berichten davon, dass Blumen und Pflanzen sowie Gärten allgemein wieder stärker im Trend liegen. Dieser Trend würde durch die Medien positiv verstärkt, indem sie es durch unterschiedliche TV-Formate immer aufmerksamkeitsintensiver präsent halten würden. Gerade Lifestyle-Formate wie Kochsendungen würden das Interesse an frischem Gemüse und Kräutern vor allem bei jüngeren Generationen steigern. Auch die Tatsache, dass toom im Frühjahr 2018 einen PopUp Store „StadtGrün by toom“ in der Kölner Innenstadt aufgemacht hat, lässt das Potenzial und die Nachfrage nach „Grün“ erahnen. Auf einer Fläche von rund 200 Quadratmetern greift toom das Thema „Urban Gardening“ auf und bietet kompakt alles für die grüne Wohlfühloase in der Stadt an, inklusive inspirierender Workshops. 

Warme Temperaturen sorgten für frühzeitig ausverkaufte Betriebe

Anfang Juni waren fast alle Gärten und Balkone bereits bepflanzt und viele Erzeuger überraschend früh ausverkauft. Der Absatz über Blumenfachgeschäfte, Gartencenter und Einzelhandelsgärtnereien wurde von Marktbeteiligten als gut bewertet. Gefragt war vor allem wieder alles, was blühte oder Früchte trug. Auch 2018 zeigte erneut, dass Impulsware im Absatz immer wichtiger wird und sich beim Verbraucher steigender Beliebtheit erfreut. So konnten laut Veiling Rhein- Maas fertig dekorierte Arrangements aller Art wie z.B. Ampeln und Pflanzschalen im Verkauf profitieren. Auch Fertigsträuße erfreuen sich steigender Beliebtheit, wie die Blumengroßmärkte berichten. Die allgemeine Lust auf Blumen und Pflanzen spiegelt sich auch in der grundsätzlichen Nachfrage nach allen Pflanzen wider – richtige Verlierer oder Gewinner schien es bei Beet- und Balkonpflanzen 2018 nicht zu geben. 

Verbraucher kaufen verstärkt hochwertige Produkte

Auffällig ist, dass sich der Trend zu hochwertigen Produkten auch 2018 verstärkt hat. Im Einzelhandel wurden größere und hochwertige Pflanzen zur Abgrenzung zum Massenmarkt besonders nachgefragt. Ebenso berichten deutsche Großhändler und die niederländische Vermarktung Plantion, dass Zimmerpflanzen – insbesondere Grünpflanzen – zunehmend wieder in Mode kommen würden. Die positive Entwicklung der letzten Jahre bei Stauden innerhalb des Marktsegments der Gartenpflanzen setzte sich auch 2018 fort. Bei Stauden wurde in der Nachsaison der Beet- und Balkonpflanzen hervorragende Nachfrage festgestellt. 

Renaissance des Blumen-Geschenks

Blumen und Pflanzen als Geschenk erfreuen sich bei den verschiedenen Konsumententypen laut Aussage der Facheinzelhandelsgärtner wieder einer größeren Beliebtheit. Diese Beobachtung wird auch durch Erhebungen der Royal FloraHolland über ihre hauseigene Marktforschung für Deutschland bestätigt. Im Rahmen eines Konsumenten-Trackers, bei dem wöchentlich rund 700 wechselnde Konsumenten in Deutschland zu ihrem Blumen- und Pflanzenkauf befragt werden, stellte sich heraus, dass das Blumengeschenk seine Attraktivität in den letzten vier Jahren wieder habe steigern können. Der Anteil der Blumensträuße im Preissegment über 20 Euro, die im Blumenfachgeschäft gekauft würden, habe in Deutschland laut Royal FloraHolland in den letzten vier Jahren um neun Prozent zugelegt. Auch würde der Anteil jüngerer Konsumenten, die wieder Blumen und Pflanzen kaufen, in Deutschland erfreulicherweise tendenziell zunehmen.

Ob das wirklich so ist und sich die Branche entspannt zurücklehnen kann, wird bezweifelt. Fest steht jedoch, dass die Kampagnen zur Absatzförderung von Blumen und Pflanzen der letzten Jahre in Deutschland eine gewisse Wirkung entfalten und dem ehemals festgestellten Desinteresse der Jugend an Blumen und Pflanzen nach und nach entgegenwirken.

Trend „Naschgarten“

Der Hype der eigenen Anzucht und Ernte von Gemüsepflanzen ist ungebremst. 2018 wurde noch einmal Wachstum gespürt. Allein bei Tomatenpflanzen konnten an deutschen Großmärkten vereinzelt Mengenentwicklungen von bis zu 50 Prozent plus im Vergleich zum Vorjahr beobachtet werden.

Auch bei Landgard und privaten Großhändlern wurden 2018 die Sortimente um Snackgemüse (Tomaten, Chili, Südgemüse, Paprika), Kräuter (Thymian, Rosmarin, Oregano) und Naschobst (Minibeeren-Sträucher, Snack-Erdbeeren) als absolutes Trendthema identifiziert. Insbesondere Produkte, die im Verkauf Früchte tragen, werden vom Verbraucher zunehmend angenommen. Der Handel fordert hier Unterstützung in Form von Mengenausweitungen, aber auch durch individuelle Konzeptthemen rund um das Thema Naschgärten. Entsprechend werden vereinzelt auch Produktionsumstellungen bei den Produzenten von Zier- auf Nutzpflanzen festgestellt. 

Vielfalt schafft Nachfrage

In den letzten Jahren konnte zunehmend beobachtet werden, dass die Sortimentsvielfalt zu Lasten von Massenartikeln abnahm. Dass die Nachfrage der Verbraucher durch eine größere Sortimentsvielfalt positiv beeinflusst werden kann, zeigt jedoch das Beispiel der Viermarschlanden: Dort haben 2018 viele Rosenproduzenten auf Grund von Beschränkungen im Pflanzenschutz ihre Produktion in Teilen umgestellt und bieten wieder traditionellen Sommerflor an. Hierdurch nimmt die Vielfalt deutlich zu, die wiederum zu einem Umbesinnen der Floristen führt. Sie arbeiten mit plötzlich wieder am regionalen Markt verfügbarer Ware und setzen diese bewusst zur Differenzierung ein. Floristen und Einzelhandelsgärtner berichten, dass Verbraucher diese Schnittblumen wieder neu für sich entdeckt hätten. 

Regionalität, Nachhaltigkeit und Zertifizierungen

Der Wunsch nach regional und nachhaltig produzierten Blumen und Pflanzen nimmt weiter zu. Nachdem Aldi bereits im Dezember 2017 angekündigt hatte, vermehrt nachhaltig zertifizierte Blumen und Pflanzen verkaufen zu wollen, will Lidl bis Ende 2019 ausschließlich Blumen und Pflanzen aus nachweislich nachhaltiger Produktion anbieten. Alle weltweiten Erzeuger von Blumen und Pflanzen, die an Lidl liefern wollen, müssen zwingend erforderlich nach dem GlobalGAP oder einem vergleichbaren Standard zertifiziert sein. Schon heute sollen rund 85 Prozent der Blumen und Pflanzen bei dem Discounter entsprechend zertifiziert sein. Beide Unternehmen sehen die Umsetzung dieser Forderung als Bekenntnis zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie und wollen dem Verbraucher zukünftig noch transparenter darstellen, woher die Produkte stammen.

Die Forderungen von Aldi und Lidl sind eine Ansage an die Branche, die sicherlich viele Nachahmer im Systemhandel finden und das Thema Regionalität im Handel indirekt weiter fördern wird.

Stationärer Handel als Einkaufs- und Begegnungsstätte

Auf der Suche nach Verkaufsmöglichkeiten für Blumen und Pflanzen wird der Absatz über das Internet immer stärker diskutiert. Oft wird in diesem Zusammenhang der klassische Einzelhandel als nicht mehr zeitgemäß und als tot beschrieben. Dass dem nicht so ist, zeigen die jüngsten Umsatzprognosen des Handelsverbands Deutschland. Er prognostiziert ein Wachstum des Einzelhandels von zwei Prozent für 2018 bei annähernd gleichbleibender Verkaufsfläche. Das bedeutet ein Wachstumsplus das neunte Jahr in Folge.

Selbst von den jungen deutschen Konsumenten (19 bis 25 Jahre) kaufen 70 Prozent stationär, weil sie die Produkte ansehen, erfahren und ausprobieren möchten. Darüber hinaus genießen sie es, eine gute Zeit beim Einkaufen zu haben und sehen „Shoppen“ als Freizeitgestaltung an. Entsprechend werden Onlineshops mittlerweile von immer mehr Händlern lediglich als mögliche Ergänzung des eigenen stationären Einzelhandels gesehen. Man ist sich sicher, dass der E-Commerce weiter wachsen wird, das Wachstum aber je nach Kategorie schon bald an seine Grenzen kommen wird. Bereits 2021 wird mit einer einsetzenden Marktsättigung gerechnet. Laut Schätzungen wird der Anteil des E-Commerce 2025 bei insgesamt 15 Prozent des Einzelhandelsumsatzes liegen. Heute liegt er laut dem Marktforschungsinstitut GfK bei circa neun Prozent

Im stationären Handel ist bereits zu beobachten, dass sich viele Betriebe auf ihre eigentlichen Stärken besinnen und weiter in Beratung und Nähe zum Kunden investieren. Das stationäre Geschäft wird zunehmend als Einkaufs- und Begegnungsstätte für Events und Erfahrungen ausgerichtet. „Erfahrungen pro m2“ ist die neue Erfolgs-Philosophie, mit der der stationäre Handel punkten will. Dieser Philosophie untergeordnet sind dann alle anderen Verkaufsthemen wie regionale Pflanzen, „Urban Gardening“, „Smart Gardening“, „Outdoor-Living“ und so weiter.

(Quellen: Expertengespräche, sowie EUROSTAT, AMI, BGI, BBH, GfK, VGB, TASPO, IVG, Gabot)

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